Das Problem
Kommt es zur Insolvenz einer GmbH, stellt sich regelmäßig die Frage, ab wann die GmbH bereits insolvenzreif war und ob insoweit der Geschäftsführer der GmbH wegen nach Insolvenzreife erfolgter Zahlungen erstattungspflichtig gem. § 64 GmbHG a.F./§15b InsO ist. In einem weiteren Schritt stellt sich die Frage, ob der Geschäftsführer bei einer Erstattungspflicht nach den Grundsätzen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Schadenersatzansprüche gegenüber anwaltlichen/steuerlichen Beratern der (insolventen) GmbH hat.
Das Urteil
Das OLG Köln hat in einer neueren Entscheidung vom 12.08.2021 – I-18 U 197/20 – entschieden, dass dem GmbH-Geschäftsführer kein Schadenersatzanspruch gegenüber dem anwaltlichen Berater der (insolventen) GmbH zustehe, wenn es sich bei dem Mandat zwischen Anwalt und (insolventer) GmbH nicht um ein insolvenzspezifisches Mandatsverhältnis gehandelt habe. In der Rechtsprechung sei zwar anerkannt, dass der Geschäftsführer einer GmbH im Hinblick auf masseschmälernde Zahlungen, für die er persönlich haftet, in den Schutzbereich eines zwischen GmbH und Berater abgeschlossenen Mandatsverhältnisses fallen könne (vgl. BGH-Urteil vom 14.06.2012 – IX ZR 145/11). Grundvoraussetzung für die Einbeziehung in den Schutzbereich sei jedoch die, dass zwischen GmbH und Berater ein Vertragsverhältnis bestehe, in dessen Rahmen es um die Warnung vor einer möglichen Insolvenzreife und die damit verbundene Prüfung der Zahlungsunfähigkeit und Schuldendeckung der Gesellschaft geht. Der Kreis der geschützten Dritten müsse subjektiv erkennbar und vorhersehbar sein; das Vertrags- und Haftungsrisiko für den Schuldner müsse bei Abschluss des Vertrages übersehbar, kalkulierbar und ggf. versicherbar sein. In der vorliegenden Konstellation habe zwischen dem Rechtsanwalt und der GmbH kein insolvenzspezifisches Beratungsverhältnis vorgelegen, so dass eine Haftung des Rechtsanwalts ausscheide.
Eigene Anmerkungen und Hinweise für die Praxis
Das Urteil hat enorme praktische Bedeutung. Dies gilt vor allem deshalb, weil sich in der jüngeren Vergangenheit die Praxis durchgesetzt hat, dass Insolvenzverwalter sich (vermeintliche) Ansprüche der GmbH-Geschäftsführung gegen Berater (Rechtsanwälte und Steuerberater) der insolventen GmbH haben abtreten lassen als Gegenleistung dafür, dass der Insolvenzverwalter die schuldnerische Geschäftsführung nicht (mehr) für Ansprüche gem. § 64 GmbH a.F. in Anspruch nimmt. Durch dieses Vorgehen wollen sich die Insolvenzverwalter vermutlich die sehr schwere Darlegung eines etwaigen Insolvenzverschleppungsschadens der Schuldnerin gegenüber dem (steuerlichen) Berater ersparen und auf den Versicherungsschutz des Beraters “zugreifen”.
Das vorgenannte Urteil betrifft die Haftung eines Rechtsanwalts, dürfte aber auch für die Haftung eines Steuerberaters, der nicht mit insolvenzspezifischen Fragestellungen, sondern allein mit der Erstellung des Jahresabschlusses und der Steuererklärung der GmbH beauftragt war, Bedeutung haben. Um das Haftungsrisiko für eine Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter bzw. die ehemalige Geschäftsführung zu reduzieren, sollte auch mit Blick auf die aktuelle Entscheidung des OLG Köln penibel auf die Definition des Mandatsverhältnisses geachtet werden. Eine Haftung wird nach den Grundsätzen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in vergleichbaren Konstellationen nur dann ausscheiden, wenn keine insolvenzspezifischen Beratungspflichten bestanden.
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- “D&O-Versicherung: Zusammentreffen von wissentlicher Pflichtverletzung und weiteren fahrlässigen Pflichtverletzungen in recht und schaden (r+s)” 2019, 307
- “Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen“ in GmbH-StB 2020, 265 ff.
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