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Das Urteil

Mit Entscheidung vom 23.11.2021 (VIII R 14/19, veröffentlicht beispielsweise in: GmbH-StB 2022, 271 f.) hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Gewinn im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG (nachträglicher Gewinn aus Auflösung der Personengesellschaft) den ein an der Realteilung beteiligter Gesellschafter erzielt, weil er sein Unternehmen, welches aus der Realteilung hervorgegangen ist und von ihm fortgeführt wurde, innerhalb der Sperrfrist veräußert, gemäß § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG allein diesem veräußernden Gesellschafter zuzurechnen.

Zugrunde liegender Sachverhalt und Entscheidungsinhalt

Im entschiedenen Fall hatten zwei Ärzte eine ärztliche Gemeinschaftspraxis in Form der GbR betrieben und sich – ohne Liquidation und Abwicklung – in Form einer “echten” Realteilung derart getrennt, dass beide Gesellschafter auf sie jeweils entfallende Wirtschaftsgüter, Rechtsverhältnisse einschließlich Patienten und laufende Behandlungen übernahmen, jeweils zu Buchwerten (also ohne Aufdeckung der darin enthaltenen stillen Reserven) in ihre (neuen) freiberuflichen Einzelpraxen überführten und dort ihre Tätigkeiten getrennt fortsetzten. Innerhalb der Sperrfrist des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG (Behaltefrist von 3 Jahren ab Abgabe der Steuererklärung der betroffenen Gesellschafter für den Veranlagungszeitraum der Realteilung) veräußerte einer der Gesellschafter seine nach der Realteilung entstandene Einzelpraxis. Diese Verletzung der gesetzlichen Sperrfrist (die als “Preis” für die Gewährung der Buchwertfortführung infolge der Realteilung anzusehen ist und Missbräuche verhindern soll) führte rückwirkend auf den Zeitpunkt der Realteilung zur Besteuerung der tatsächlichen Werte / stillen Reserven für die innerhalb der Sperrfrist veräußerten Unternehmensgegenstände, soweit es sich um wesentliche Betriebsgrundlagen handelte. Bislang offen, weil nicht höchstrichterlich entschieden, und zwischen den Betroffenen und der Finanzverwaltung streitig, war dabei die Frage, ob diese rückwirkende Aufdeckung stiller Reserven (Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Realteilung) zu einer Steuerbelastung für beide (damaligen) Gesellschafter führt oder nur für den Gesellschafter, der nach Durchführung der Realteilung gegen die Sperrfrist verstößt. Der Bundesfinanzhof hat im letztgenannten Sinne entschieden, also festgestellt, dass nur der an der Realteilung beteiligte Gesellschafter den bei dem Sperrfristverstoß nachträglich entstehenden Gewinn zu versteuern hat, der den Sperrfristverstoß auslöst.

Wertung und Hinweise zu den praktischen Konsequenzen

Die Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht von besonderer praktischer Bedeutung und hat insofern auch Auswirkungen auf zukünftige Vertragsgestaltungen.

  • Die Entscheidung ist schon deswegen bedeutsam, weil sie einen grundsätzlichen Punkt zum wichtigen Gestaltungsinstrument der Realteilung klärt: Die Realteilung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 f. EStG bietet eine sehr flexible Möglichkeit, um Personengesellschaften – insbesondere auch (wie im entschiedenen Fall) berufliche Gesellschaften von Freiberuflern in der Form der Personengesellschaft – unter Vermeidung einer Liquidation und unter Vermeidung steuerlicher Belastungen auf stille Reserven, wie etwa Praxiswerte, Mandantenstamm etc. zu trennen. Nach aktuellem Stand zu den Grundsätzen der Realteilung ist diese Möglichkeit auch deswegen besonders flexibel, weil sie anders als in sonstigen Fällen steuerlicher Umstrukturierungen nicht voraussetzt, dass organische Einheiten (Teilbetriebe) übernommen werden, sondern auch eine Aufteilung einzelner Wirtschaftsgüter ermöglicht (dies dann aber eben um den Preis der Wahrung der hier relevanten Sperrfrist).

 

  • Hinweis: Die steuerlichen Vorteile der Realteilung (Buchwertfortführung) gelten allerdings nach aktuellem Stand nur, wenn die sich trennenden Gesellschafter die auf sie entfallenden Wirtschaftsgüter und Rechtsbeziehungen in neue eigene Einzelpraxen/Einzelunternehmen übernehmen. Gegenwärtig ist leider immer noch ungeklärt, ob eine Buchwertfortführung auch bei Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter aus der Personengesellschaft direkt in das Gesamthandsvermögen einer anderen (neuen) Personengesellschaft möglich ist (Vorlageverfahren zum Bundesverfassungsgericht dazu immer noch anhängig, vgl. Vorlagebeschluss BFH vom 10.04.2013 – I R 80/12). Im vorliegenden Fall war die Voraussetzung der Übernahme in zwei neue Einzelpraxen/Einzelunternehmen offensichtlich erfüllt. Sollte dies nicht möglich sein, sondern eine direkte Überführung in eine neue Gesellschaft auf Seiten eines oder aller beteiligten Gesellschafter gewünscht werden, besteht die etwas kompliziertere Lösung darin, die jeweils neuen Gesellschaften zunächst an der zur Aufteilung vorgesehenen Personengesellschaft zu beteiligen und dann zwischen den so beteiligten neuen Gesellschaften aufzuteilen.

 

  • Die im hier dargestellten Urteil entschiedene Frage, wer einen aus dem Sperrfristverstoß resultierenden Gewinn (rückwirkend) zu versteuern hat, ist nicht nur von steuerrechtlicher Bedeutung gewesen, sondern hat auch wesentliche vertragsrechtliche Folgen: Da der Sperrfristverstoß nach Trennung der Gesellschafter und Übernahme der eigenen Einzelpraxen/Einzelunternehmen erfolgt, besteht grundsätzlich (anders als bei gemeinsamem Gesellschaftsvertrag) keine rechtliche Einflussnahmemöglichkeit mehr auf das Verhalten des (ehemaligen) Mitgesellschafters. Wenn – was bislang zweifelhaft war – der durch den Verstoß eines Mitgesellschafters entstehende Gewinn rückwirkend von allen (damaligen) Gesellschaftern der real geteilten Personengesellschaft zu versteuern gewesen wäre, musste dies in den Vertragsregelungen über die Realteilung berücksichtigt werden. Bislang hat die Vertragspraxis sich damit beholfen, dass jeder aus der Realteilung hervorgehende, ein neues Einzelunternehmen fortführende Gesellschafter im Vertrag über die Realteilung eine Vertragsstrafenregelung einging, nach deren Inhalt bei einem Sperrfristverstoß zugunsten der anderen Gesellschafter eine Vertragsstrafe fällig wurde.

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