Auswirkungen des Coronavirus auf gewerbliche Mietverhältnisse

Behördliche Nutzungseinschränkung für gewerbliche Mietverhältnisse aufgrund Coronavirus: Nur Risikosphäre des Mieters?

Unsere Einschätzung

Vermieter und Mieter müssen gemeinsam handeln. Gleichwohl bleibt grundsätzlich die Mietzahlungspflicht des Mieters (zunächst) bestehen, soweit es sich tatsächlich nur um eine zeitlich (kurz) befristete behördliche Nutzungseinschränkung handelt.

I. Zum Sachverhalt

Mit Allgemeinverfügung der Stadt Köln vom 14.3.2020 wurde unter anderem angeordnet, dass jegliche Veranstaltung im Kölner Stadtgebiet bis einschließlich 10.4.2020 untersagt ist. Ebenfalls bis einschließlich 10.04.2020 wurden musikalische und sonstige unterhaltende Darbietungen jeder Art in Gaststätten und in Nebenräumen mit Schankbetrieb (insbesondere Diskotheken, Clubs und Bars) sowie alle anderen der Unterhaltung dienenden öffentlichen Veranstaltungen einschließlich Tanz untersagt.

In der Sitzung vom 16.03.2020 hat der Krisenstab der Stadt Köln sich mit dem Erlass des Landes NRW zu weiteren kontaktreduzierenden Maßnahmen vom 15.03.2020 befasst und für die Stadt Köln auf der Grundlage einer weiteren Allgemeinverfügung, die am 17.03.2020 in Kraft tritt, unter anderem beschlossen, dass bis zum 19.04.2020 der Betrieb von Gastronomie, insbesondere Restaurants, Cafés und Gaststätten untersagt wird mit der Ausnahme des Außerhausverkaufs sowie der Lieferung von vorbestellten Speisen und Getränken.

II. Zum Rechtlichen

Die hierdurch für gewerbliche Mieter von Gaststätten, Diskotheken, Clubs und Bars verursachte Nutzungseinschränkung wirft neben einer Vielzahl weiterer Fragestellungen auch die Frage auf, ob dies den Mieter von der Mietzahlungspflicht zumindest teilweise befreit. Grundsätzlich können öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen oder -hindernisse zu einem Mangel der Mietsache führen. Legt man jedoch die Rechtsprechung  des Bundesgerichtshofs  und der Obergerichte zu der nachträglichen Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit gemieteter Räume für den Betrieb einer Gaststätte durch die Gesetzgebung zum Schutz der Nichtraucher sowie die Rechtsprechung des Reichsgerichts im Zusammenhang mit den für das gesamte Land während eines Krieges erlassenen Tanzverboten zugrunde (vgl. hierzu: Emmerich in Staudinger, Mietrecht 1, Neuauflage 2018, § 536 Rz. 44 mit weiteren Nachweisen) gelangt man allerdings zu folgender Bewertung: Auch bei den jetzigen Allgemeinverfügungen wird nicht an die Beschaffenheit und die Lage der Räume angeknüpft, sondern an die betrieblichen Verhältnisse des Mieters. Die durch die Allgemeinverfügungen ausgelösten Nutzungsverbote bzw. Nutzungsbeschränkungen gehören daher zum Verwendungsrisiko des Mieters und können nicht als ein Mangel, der eine Mietminderung rechtfertigt, qualifiziert werden kann. So hat auch das OLG Dresden in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss vom 1.6.2017 5 U 477/17) noch entschieden, dass öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen oder -hindernisse nur dann zu einem Mangel der Mietsache führen, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben.

Grundsätzlich bleibt also die Mietzahlungspflicht des Mieters (zunächst) bestehen, soweit es sich tatsächlich nur um eine befristete behördliche Nutzungseinschränkung handeln sollte.

III. Ausblick

Geht allerdings die durch die behördlichen Erlasse herbeigeführte Nutzungseinschränkung deutlich über die derzeitige Befristung bis zum 19.04.2020 hinaus, wird möglicherweise eine Neubewertung der Risikoverteilung im Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter vorzunehmen sein. Zwar hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 11.12.1991 – XII ZR 63/90 – ausgeführt, dass eine Heranziehung der Regelung über den Wegfall der Geschäftsgrundlage im Anwendungsbereich der Gewährleistungsvorschriften nach § 537 ff. BGB grundsätzlich ausgeschlossen ist. Gleichwohl wird abzuwarten sein, ob in Anbetracht der Dimension und Tragweite der derzeitigen Nutzungseinschränkungen die Rechtsprechung an diesen Grundsätzen festhalten kann und wird.

IV. Handlungsempfehlung

Die durch das Coronavirus herbeigeführte noch nie dagewesene Krisenlage sollte unabhängig von der derzeitigen vorläufigen rechtlichen Risikoverteilung zwischen Mieter und Vermieter gleichwohl auch auf Vermieterseite mit Augenmerk und Fingerspitzengefühl gehandhabt werden. Mit einer (befristeten) Stundung der Miete kann der Vermieter gegebenenfalls auch in Bezug auf seine Position wirtschaftlicher handeln als mit einer fristlosen Kündigung und den damit verbundenen weiteren Folgeproblemen.

In jedem Fall sind bei Vereinbarungen zwischen Vermieter und Mieter dringend und zwingend die Anforderungen an die Schriftform zu beachten.

Der Inhalt dieses Artikels ist zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung aktuell und korrekt. Da sich die Umstände schnell ändern können, nehmen Sie im Zweifelsfall bitte Kontakt mit den zuständigen Beratern auf.

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