Besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach (beSt) – Nutzungsverpflichtung

Das Problem

Steuerberater sind gemäß § 52d Satz 2 FGO verpflichtet, das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) zu nutzen. Gemäß § 86d Abs. 1 Satz 1 StBerG ist die Bundessteuerberaterkammer über die Steuerberaterplattform gehalten, für jeden Steuerberater und Steuerbevollmächtigten ein besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach empfangsbereit einzurichten. Problematisch und streitig ist aktuell, ab welchem Zeitpunkt für Steuerberater die aktive Nutzungspflicht des beSt eintritt:

 

  • ab dem 01.01.2023,
  • ab dem Zeitpunkt der Übersendung des Registrierungstokens über die Steuerberaterkammer,
  • ab dem Zeitpunkt der Freischaltung des beSt durch den Steuerberater?

Die Entscheidungen

Zu der Thematik sind in jüngster Vergangenheit einige Entscheidungen ergangen:

 

  • Zunächst hatte der Bundesfinanzhof am 25.10.2022 (Az. IX R 3/22) entschieden, dass eine Steuerberatungsgesellschaft nicht zur Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches (beA) ab dem 01.01.2022 verpflichtet war, selbst wenn ein Anwalt für die Gesellschaft handelte. Problematischer sei es hingegen für doppel- bzw. mehrfach zugelassene bzw. Berufsausübungsgesellschaften mit Rechtsanwälten als Sozien/Partnern. Steuerberater, die zugleich eine Zulassung als Rechtsanwalt besaßen, waren bereits ab dem 01.01.2022 verpflichtet, das beA zu nutzen (vgl. auch BFH-Beschluss vom 27.04.2022, Az. XI B 8/22). Entsprechendes gelte im Jahre 2022 für “gemischte” Berufsausübungsgesellschaften. Bei “reinen” Steuerberatungsgesellschaften, also auch einer steuerberatenden Partnerschaftsgesellschaft mbB, gelte hingegen eine Nutzungspflicht erst ab dem 01.01.2023.

 

  • Das Finanzgericht Niedersachsen hat in einer Entscheidung vom 10.02.2023 (Az. 7 K 183/22) die Auffassung vertreten, dass Steuerberater seit dem 01.01.2023 verpflichtet sind, das beSt zu nutzen, unabhängig davon, ob Ihnen der Registrierungstoken zur Verfügung steht. Gemäß § 86d Abs. 1 StBerG sei die Steuerberaterkammer verpflichtet, über die Steuerberaterplattform (§ 86c StBerG) ein beSt empfangsbereit einzurichten. Nach § 86d Abs. 6 StBerG bestehe für die Inhaberin/den Inhaber des beSt eine Verpflichtung, die für die Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten. Steuerberater seien insoweit zur Nutzung des beSt spätestens ab dem 01.01.2023 verpflichtet, da ihnen ab diesem Zeitpunkt ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne von § 52d Satz 2 FGO zur Verfügung gestanden habe.

 

 

  • Das Hessische Finanzgericht vertritt in einer Entscheidung vom 21.03.2023 hingegen die Auffassung, dass die Pflicht zur aktiven Nutzung des beSt erst bestehe, sobald dem Steuerberater der von der Bundessteuerberaterkammer versandte Registrierungstoken für die Steuerberaterplattform zugegangen sei (Hessisches Finanzgericht vom 21.03.2023, Az. 10 V 67/23). Erst mit der Übersendung des Registrierungstokens stehe dem Steuerberater ein sicherer Übermittlungsweg für das beSt im Sinne von § 52d Satz 2 FGO zur Verfügung.

Stellungnahme / Folgen für die Praxis

Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen haben enorme Auswirkungen auf die Praxis. Geht man von der Rechtsprechung des Niedersächsischen Finanzgerichts aus, erfüllen seit dem 01.01.2023 von einem Steuerberater nicht über das beSt eingereichte Schriftsätze nicht die an bestimmte Schriftsätze (beispielsweise eine Klageschrift oder einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung) zu stellenden Formvorschriften. Per Telefax eingereichte Klagen wären somit ab dem 01.01.2023 grundsätzlich unzulässig. Wiedereinsetzungsanträge haben in der Regel keine Aussicht auf Erfolg.

 

Steuerberaterkammern haben hingegen bisher entsprechend der Ansicht des Hessischen Finanzgerichts die Auffassung vertreten, dass erst mit Erhalt des Registrierungsbriefs der Bundessteuerberaterkammer eine aktive Nutzungspflicht bestehe. Viele Steuerberater werden auf diese Angaben vertraut haben.

 

Da die Rechtslage hier unklar und nicht auszuschließen ist, dass die Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts sich durchsetzen wird, sollten Steuerberater dafür Sorge tragen, dass Schriftsätze beim Finanzgericht nur über das beSt eingereicht werden. Sofern der Steuerberater hier unter Zeitdruck steht, kann er sich nach Auskünften der Bundessteuerberaterkammer über eine “Fast Lane” für die Nutzung des beSt anmelden und wird sodann zeitlich vorgezogen. Sofern gleichwohl zeitliche/technische Probleme auftauchen, ist dringend anzuraten, den betroffenen Schriftsatz über ein bereits eingerichtetes beSt eines Berufskollegen oder beispielsweise über das beA eines Rechtsanwalts einzureichen.

 

Sofern Klagen wegen Unzulässigkeit abgewiesen werden, sollten mit Blick auf die unklare Rechtslage Rechtsmittel eingelegt werden.

 

Der Inhalt dieses Artikels ist zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung aktuell und korrekt. Da sich die Umstände schnell ändern können, nehmen Sie im Zweifelsfall bitte Kontakt mit den zuständigen Beratern auf.

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