Entscheidung des BGH zur Anerkennung der Limited als juristische Person und Gesellschaft unter deutschem Recht

Das Urteil

Mit Urteil vom 16.02.2021 (II ZB 25/17, GmbHR 2021, 486) hat der BGH entschieden, dass nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU und nach Ablauf des Übergangszeitraums dazu am 31.12.2020 – die britische Limited sich aus Sicht des deutschen Rechts nicht mehr auf die Niederlassungsfreiheit nach EU-Recht berufen kann und damit als juristische Person mit tatsächlichem Sitz in Deutschland nicht mehr als Rechtsträger unter deutschem Recht anerkennungsfähig ist.

Zugrunde liegender Sach­verhalt und Ent­scheidungs­inhalt

Die Entscheidung ist im Rahmen eines handelsregisterrechtlichen Verfahrens (Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem FamFG) betreffend die Eintragung einer Zweigniederlassung der britischen Limited mit Sitz in Deutschland ergangen. Während dieses registerrechtlichen Verfahrens wurde der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU zum 01.02.2020 wirksam und lief auch die dafür geltende Übergangsfrist nach Art. 126 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der EU und der Europäischen Gemeinschaft, also der 31.12.2020, ab.

Im Hinblick auf dieses Wirksamwerden des Austritts des Vereinigten Königreichs und den Ablauf der Übergangsfrist entschied der Bundesgerichtshof, dass ab dem 01.01.2021 das Unionsrecht – und zwar weder in Gestalt des Primärrechts noch des Sekundärrechts – keine Anwendung mehr auf britische Gesellschaften findet. Dies wiederum hat zur Folge, dass die britische Limited sich nicht mehr auf die europarechtliche Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) berufen kann. Diese Berufung auf die Niederlassungsfreiheit war jedoch europarechtlich – und damit auch für das deutsche Recht zwingend – der entscheidende Grund dafür, dass eine formal mit Sitz in Großbritannien (oder auch in einem anderen EU-Staat) nach dem jeweils örtlichen Recht ordnungsgemäß errichtete Gesellschaft (also z.B. eine britische Limited mit dem formalen Sitz in London) ihren tatsächlichen Sitz (“Verwaltungssitz”) auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nehmen konnte, ohne ihre Rechtspersönlichkeit als ausländische Gesellschaft (im Fall der Limited als britische Gesellschaft) zu verlieren (grundlegend: EuGH ZIP 1999, 438 “Centros”, weiterhin: EuGH Der Betrieb 2002, 2425 ff. “Überseering” sowie EuGH DB 2003, 2219 “Inspire Art”). In der weiteren Konsequenz bedeutet dies, dass die mit formalem Sitz in Großbritannien errichtete britische Limited aus Sicht des deutschen Gesellschaftsrechts den Grundsätzen unterliegt, die auch ansonsten für Gesellschaften aus Nicht-EU-Staaten in der Bundesrepublik Deutschland gelten: Es gilt die alte Sitztheorie, d.h. eine mit (tatsächlichem) Sitz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ansässige Gesellschaft wird als solche nur anerkannt, wenn sie nach deutschem Recht ordnungsgemäß errichtet ist; eine nach ausländischem Recht errichtete Gesellschaft, die ihren (tatsächlichen) Sitz auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nimmt, verliert ihre Rechtspersönlichkeit als ausländische Gesellschaft und wird aus Sicht des deutschen Gesellschaftsrechts beurteilt.

Wertung und Hinweise zu den praktischen Kon­sequen­zen

Die Entscheidung stellt die Rechtsfolgen des Austritts des Vereinigten Königreichs von Großbritannien aus der EU unter gesellschaftsrechtlichen Aspekten klar. Praktisch relevant ist die Entscheidung für die ursprünglich in der Rechtsform der Limited auf deutschem Gebiet faktisch ansässigen Gesellschaften, die bis zum Ablauf der Übergangsfrist 31.12.2020 aufgrund des EU-Rechts als britische Gesellschaften (wenn auch mit Verwaltungssitz in Deutschland) anerkannt waren. Dass diese Gesellschaften (die sich in der unmittelbaren Folge der EuGH-Rechtsprechung zur Anerkennung der Niederlassungsfreiheit zunächst großer Beliebtheit erfreuten) sich nach dem “harten Brexit” und dem Ablauf des Übergangszeitraums nicht mehr auf die europäische Niederlassungsfreiheit berufen können, entsprach bereits vor der hier zitierten BGH-Entscheidung der herrschenden Auffassung in der Literatur. Diskutiert wurde allerdings, ob sich möglicherweise etwas anderes aus dem am 30.12.2020 zwischen der EU und Großbritannien abgeschlossenen Handels- und Kooperationsabkommen (EU-UK TCA) ergeben könnte (so etwa: Schmidt, GmbH-Rundschau 2021, 229). In der hier zitierten Entscheidung hat der BGH offensichtlich keinen Anlass gesehen, unter Hinweis auf jenes Abkommen keine “Verlängerung” der Anerkennungsfähigkeit der britischen Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland anzunehmen. Diese Linie der Rechtsprechung wird im Übrigen nochmals bestätigt durch eine Entscheidung des OLG München vom 05.08.2021 (29 U 2411/21), die auch ausdrücklich aus dem Handels- und Kooperationsabkommen keine Begründung für eine Fortgeltung der Gründungstheorie zugunsten der britischen Gesellschaften sieht.

Die praktischen Konsequenzen für die Gesellschafter der bis zum 31.12.2020 als Limited bestehenden Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland bestehen im Wesentlichen

  • im Wegfall der Rechtsnatur als (ausländische) juristische Person,
  • in direkten Haftungsfolgen (im Zweifelsfall wird aus der britischen Limited eine deut-sche OHG oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts bei mehreren Beteiligten oder ein Einzelunternehmen bei einem Alleininhaber),
  • in möglichen steuerlichen Folgen durch den Wegfall der Anerkennung als juristische Person mit laufender Steuerpflicht aufgrund des Verwaltungssitzes in Deutschland.

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