Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Wahrung der Einspruchsfrist bei fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung:

Mit Urteil vom 28.04.2020 (VI R 41/17, u.a. in DB 2020, 1770 ff.) hat der BFH entschieden, dass die Einlegung eines Einspruchs gegen einen Steuerbescheid fristgerecht erfolgt ist, wenn in der Rechtsbehelfsbelehrung des angegriffenen Steuerbescheides nicht auf die Möglichkeit einer elektronischen Einspruchseinlegung hingewiesen wurde und der Einspruch binnen der Jahresfrist gemäß § 356 Abs. 2 AO bei der zuständigen Behörde einging.

Zugrundeliegender Sachverhalt und rechtliche Fragestellung:
Im zu entscheidenden Sachverhalt hatte der Kläger Einspruch gegen einen Lohnsteuernachforderungsbescheid eingelegt; die Einspruchseinlegung erfolgte vor Ablauf der grundsätzlich geltenden 4-wöchigen Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1 AO) mit einem Schreiben des Klägers, welches allerdings nicht an das zuständige Finanzamt, sondern an ein anderes Finanzamt gerichtet war und dort einging. Das empfangende (nicht zuständige) Finanzamt leitete das Einspruchsschreiben nach Ablauf der 4-wöchigen Einspruchsfrist an das für die Einspruchsbearbeitung zuständige Finanzamt weiter.

Auf der Grundlage dieses Sachverhaltes musste der Bundesfinanzhof sich mit 2 verfahrensrechtlichen Fragen auseinandersetzen, nämlich

  • ob die Einlegung des Einspruchs bei der unzuständigen Behörde ausreichte und
  • ob der Einspruch rechtzeitig eingelegt war, obwohl er nicht binnen der 4-wöchigen regelmäßigen Einspruchsfrist bei der eigentlich zuständigen Finanzbehörde einging.

Zur ersten Frage ist § 357 Abs. 2 Satz 4 AO einschlägig, den das Gericht auch zutreffend anwandte. Danach ist die Einlegung bei einer eigentlich unzuständigen Finanzbehörde unschädlich, wenn der Einspruch von dort an die zuständige Behörde übermittelt wird und dies innerhalb des Ablaufs der Einspruchsfrist geschieht.

Gerade die Weiterleitung von der unzuständigen an die zuständige Finanzbehörde war jedoch im vorliegenden Fall nicht binnen der regelmäßigen 4-wöchigen Einspruchsfrist erfolgt, sondern erst nach deren Ablauf. Dennoch hat der Bundesfinanzhof mit der in diesem Fall ganz wesentlichen Feststellung der unzureichenden Rechtsbehelfsbelehrung im angegriffenen Bescheid die Frist als gewahrt angesehen, da er im vorliegenden Fall die 1-Jahres-Frist gem. § 356 Abs. 2 AO als einschlägig ansah. Die Einspruchsfrist beträgt gem. § 356 Abs. 2 AO ein Jahr, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung im angegriffenen Steuerbescheid unterblieben oder unrichtig erteilt ist. Im vorliegenden Fall hat der Bundesfinanzhof eine unrichtige Erteilung der Rechtsbehelfsbelehrung bejaht, da in der Rechtsbehelfsbelehrung des angegriffenen Bescheides nicht auf die Möglichkeit einer elektronischen Einspruchseinlegung hingewiesen wurde. Dementsprechend war die 1-Jahres-Frist anwendbar und war die Einspruchsschrift aufgrund der Weiterleitung von der unzuständigen an die zuständige Finanzbehörde binnen dieser Jahresfrist rechtzeitig erfolgt.

Fazit

Eigene Wertung und Hinweise zu den praktischen Konsequenzen aus Beratersicht:

Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist die richtige Rechtsbehelfsbelehrung auch über die Möglichkeit zur elektronischen Einspruchseinlegung so wesentlich, dass ihr Fehlen die Verlängerung der Einspruchsfrist auf eine einjährige Frist begründet. Dies ist u.E. zutreffend, da die Möglichkeit der elektronischen Einspruchseinlegung (eingeführt durch das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.07.2013, BGBl I 2013, 2749) praktisch eine ganz wesentliche Bedeutung hat. Der Hinweis auf diese Möglichkeit ist sicherlich für die Rechtsbehelfsbelehrung essentiell. Aus Sicht der Beratungspraxis ergibt sich die Konsequenz, dass es durchaus – vor allem im Falle einer Verletzung der 4-wöchigen Frist, die regelmäßig gem. § 355 Abs. 1 AO für die Einspruchseinlegung gilt – Sinn macht, die Rechtsbehelfsbelehrung nochmals auf die Belehrung zur elektronischen Einspruchseinlegung zu überprüfen. Daneben ist der hier angesprochene Fall ein gutes Beispiel dafür, dass nicht nur die Fristwahrung, sondern auch die Adressierung an die richtige Behörde für die rechtzeitige Einspruchsentscheidung wesentlich ist; zwar kann auch die Einspruchseinlegung bei der unzuständigen Behörde die Frist wahren, wenn nämlich die Einspruchsschrift von der unzuständigen Behörde noch binnen der geltenden Frist an die zuständige Behörde weitergeleitet wird – Letzteres ist jedoch nicht sichergestellt und liegt jedenfalls nicht mehr in den Händen des Rechtsbehelfsführers bzw. seines steuerlichen Beraters.

Zu weiteren Fragen und etwaiger Beratung im Zusammenhang mit Rechtsbehelfen gegen und Anfechtung von nachteiligen Steuerbescheiden stehen unsere Steuerrechtsexperten selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Der Inhalt dieses Artikels ist zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung aktuell und korrekt. Da sich die Umstände schnell ändern können, nehmen Sie im Zweifelsfall bitte Kontakt mit den zuständigen Beratern auf.

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