Das Urteil
Mit Urteil vom 15.06.2023 (BFH vom 15.06.2023 – IV R 30/19, GmbH-StB 2023, 370 ff.) hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass eine Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 EStG) und eine damit verbundene Gewerblichkeit auch im Rahmen einer Gestaltung, durch die eine GmbH & Co. KG nur eine logische Sekunde lang besteht und ihre Tätigkeit ausübt, begründet sein kann. Das Urteil ist in einem sehr speziellen Fall im Rahmen einer Transaktion über ein Kreditportfolio ergangen, hat jedoch angesichts der Allgemeingül-tigkeit der darin ausgeführten Begründungen eine weit über diesen speziellen Fall hinausge-hende Bedeutung für verschiedenste Gestaltungen unter Einsatz einer GmbH & Co. KG.
Zugrundeliegender
Sachverhalt
und Entscheidung
Hintergrund des in Rede stehenden Sachverhaltes war die Transaktion eines umfangreichen Kreditportfolios durch die X-AG als dem bisherigen Inhaber an eine neu errichtete Z-GmbH (Tochtergesellschaft einer ausländischen Limited, die wirtschaftlich das Kreditportfolio erwer-ben sollte). Zur Durchführung der Transaktion gründete die X-AG als zu diesem Zeitpunkt al-leinige Kommanditistin die X-GmbH & Co. KG gemeinsam mit der X-GmbH als alleinige Kom-plementärin. Sodann brachte die X-AG in diese X-KG das Kreditportfolio im Wege der Ausglie-derung unter Buchwertfortführung gegen Erhöhung der Kommanditeinlage und im Übrigen unter Gutschrift eines Differenzbetrages auf dem Kapitalkonto II der X-AG bei der X-KG ein. Am Tag des Vollzugs dieser Gestaltung vereinbarte die X-GmbH (die alleinige Komplementä-rin der X-KG) ihren Austritt aus der X-KG unter der aufschiebenden Bedingung der Abtretung des Kommanditanteils der X-AG an die Z-GmbH. Infolge dieses Austritts der alleinigen Kom-plementärin aus der X-KG wurde die X-KG sofort beendet (mit Erlöschen im Handelsregister) und fand eine Anwachsung des gesamten Vermögens (eingebrachtes Kreditportfolio) bei der zum Zeitpunkt des Eintritts der Austrittsbedingung alleinigen Kommanditistin Z-GmbH statt. Damit ging das Vermögen der X-KG (Kreditportfolio) unmittelbar nach Wirksamwerden der Ausgliederung auf die X-KG im Wege der Abtretung des Kommanditanteils und der damit ver-bundenen Anwachsung auf die Z-GmbH über; die X-KG selbst war also nur während einer logischen Sekunde als eigenständiger Rechtsträger Inhaber des Kreditportfolios und wurde sodann durch Austritt der einzigen Komplementärin sofort beendet.
Zwischen der Finanzverwaltung und der Steuerpflichtigen war streitig, ob die X-KG im maßge-benden Jahr (Streitjahr des Sachverhalts) sachlich der Gewerbesteuer unterlag. Das Gericht hat dies bejaht. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs kommt es für den Beginn und das Vorliegen eines Gewerbebetriebs im Sinne des § 2 Abs. 1 GewStG auf den Beginn der werbenden Tätigkeit an; dies gilt auch bei einer lediglich gewerblich geprägten vermögensver-waltenden Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG); für diese wird der Beginn der wer-benden Tätigkeit mit der Aufnahme der vermögensverwaltenden Tätigkeit gleichgestellt. Dies bejahte der Bundesfinanzhof für die X-KG mit Eintritt der logischen Sekunde, in der diese das Vermögen „Kreditportfolio“ im Wege der Ausgliederung erwarb, bevor sie durch das Ausschei-den der Komplementär-GmbH zum Erlöschen gebracht wurde.
Weitere Hinweise
und
praktische Konsequenzen
Die Entscheidung ist – wenn auch zu einem sehr speziellen Sachverhalt ergangen – von grundlegender Bedeutung für gesellschaftsrechtlich geregelte und steuerlich motivierte mehr-stufige Gestaltungen im Zusammenhang mit einer GmbH & Co. KG. Sie hat Bedeutung für Gestaltungsfälle, in denen der Einsatz einer gewerblich geprägten Personengesellschaft (GmbH & Co. KG im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) als „Vehikel“ genutzt wird, um in einem „Zwischenschritt“ Vermögen zwischen den Gesellschaftern zu übertragen. Dabei genügt das Bestehen und die Vermögenszuordnung zu dieser Personengesellschaft auch nur für die Dau-er einer logischen Sekunde, um deren (steuerliche) Rechtssubjekteigenschaft einschließlich der Einordnung als gewerbesteuerrechtlich relevanter Gesellschaft zu bejahen:
- Eine wesentliche Aussage des Bundesfinanzhofs besteht darin, dass auch für rein vermö-gensverwaltende Personengesellschaften, wenn sie die Voraussetzung der gewerblichen Prägung und damit der Mitunternehmerschaft im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG erfül-len, die für die Gewerblichkeit maßgebende werbende Tätigkeit nach außen mit dem Be-ginn der vermögensverwaltenden Tätigkeit bejaht werden kann. Damit kann für eine auch nur sehr kurzzeitig bestehende GmbH & Co. KG die Gewerbesteuerschuldnerschaft, bei-spielsweise für einen erheblichen Veräußerungsgewinn, der in ihrer Rechtsträgerschaft entsteht, bejaht werde.
- Dass bedeutende Geschäftsvorfälle im Rahmen dieser Mitunternehmerschaft sich auch nur während einer juristischen Sekunde vollziehen, ist für die Einordnung als Mitunterneh-merschaft im Sinne von § 15 EStG und auch für die Gewerbesteuerschuldnerschaft nicht relevant. Es genügt, dass ein bedeutender Geschäftsvorfall sich innerhalb der juristischen Sekunde in der Person der Mitunternehmerschaft vollzieht.
- Die Klägerin hatte als Gegenargument auf das Äquivalenzprinzip hingewiesen; nach die-sem Prinzip soll die Gewerbesteuer den Gemeinden einen Ausgleich für Lasten verschaf-fen, die der jeweils in Rede stehende Gewerbebetrieb insbesondere durch die Nutzung der gemeindlichen Infrastruktur verursacht (vgl. etwa BFH vom 20.11.2003 – IV R 5/02, BStBl II 2004, 464). Dieses Argument hat der Bundesfinanzhof zurückgewiesen mit der Begrün-dung, dass es nach der Verankerung der Gewerbesteuer in Art. 106 Abs. 6 GG einer ge-sonderten finanzverfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Gewerbesteuer durch das Äquivalenzprinzip nicht mehr bedarf; danach kommt es auf eine konkrete Inanspruchnah-me kommunaler Infrastruktur durch die in Rede stehende Gesellschaft nicht an; auch inso-fern genügt also der Bestand für „eine logische Sekunde“.
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