Das Urteil
Mit Urteil vom 22.03.2023 (7 U 723/22) hat das Oberlandesgericht München die Voraussetzungen zur Kündigung gegenüber dem GmbH-Geschäftsführer aus wichtigem Grund nochmals konkretisiert: Danach ist ein solcher wichtiger Grund gegeben, wenn bei einer notwendigen Interessenabwägung (Abwägung der Interessen der Gesellschaft einerseits und des betroffenen Geschäftsführers andererseits) alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls dazu führen, dass es der kündigenden Gesellschaft unzumutbar ist, das Dienstverhältnis bis zum Ablauf der Frist für die ordentliche Kündigung fortzusetzen. Ein solcher wichtiger Grund kann nach der Entscheidung gegeben sein, wenn der betroffene Geschäftsführer, ohne die notwendige Zustimmung des Mitgeschäftsführers einzuholen, einen Geldbetrag auf sein Privatkonto überweist.
Zugrundeliegender
Sachverhalt und Entscheidungsinhalt
In dem der Urteilsbegründung zu entnehmenden Sachverhalt bestand bei der betroffenen GmbH eine interne Geschäftsordnung, die für den Fall der Überweisung eines Geldbetrages auf das Privatkonto eines Geschäftsführers oder Gesellschafters die Zustimmung des Mitgeschäftsführers anordnete. Entgegen dieser Geschäftsordnungsregelung hatte der betroffene Geschäftsführer einen Geldbetrag auf sein Privatkonto überwiesen.
Das Oberlandesgericht München sah diesen Verstoß gegen die (intern geltende) Geschäftsordnung als wichtigen, eine sofortige Kündigung rechtfertigenden Grund an. Dabei hat das Oberlandesgericht ausdrücklich klargestellt, dass die Beurteilung des wichtigen Grundes in diesem Sinne nicht pauschal erfolgen kann, sondern dass dazu eine Interessenabwägung notwendig ist, in die alle im konkreten Fall vorliegenden Umstände eingehen müssen. Als Ergebnis dieser Abwägung muss sich ergeben, dass es der kündigenden Gesellschaft unzumutbar ist, das Dienstverhältnis bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung fortzusetzen. Für die – ohne Zustimmung des Mitgeschäftsführers durchgeführte – Überweisung eines Geldbetrages auf das Konto des betroffenen Geschäftsführers wurde dies bejaht.
Wertung und Hinweise zu den praktischen Konsequenzen
Die Entscheidung betrifft einen “Dauerbrenner” in der gesellschaftsrechtlichen Beratung von Unternehmen in der Rechtsform der GmbH. Bei der praktisch immer wieder relevant werdenden Frage, ob und wie schnell die Gesellschaft sich wegen besonderer Gründe vom Geschäftsführer trennen kann, gelten folgende allgemeine Grundsätze, die an wesentlichen Stellen durch die hier dargestellte Entscheidung konkretisiert werden:
- Für die rechtliche Stellung des Geschäftsführers – und damit auch für die Beendigung dieser Geschäftsführerstellung – ist bei der GmbH zwischen dem schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis einerseits (Dienstverhältnis des Geschäftsführers gemäß §§ 611 ff. BGB) einerseits und der Organstellung (Amt des Geschäftsführers) andererseits zu unterscheiden. Eine vollständige Beendigung der Geschäftsführerposition und Trennung vom Geschäftsführer erfordert, dass auf beiden Ebenen eine Beendigung herbeigeführt wird. Dies setzt jedoch voraus, dass sowohl eine Kündigung des Dienstverhältnisses als auch eine Abberufung gegenüber dem Geschäftsführer formuliert und ggf. durchgesetzt wird.
- Für die Beendigung des Dienstverhältnisses gilt grundsätzlich kein Kündigungsschutz zugunsten des Geschäftsführers gemäß dem Kündigungsschutzgesetz (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG: keine Anwendung des Kündigungsschutzes bei Organmitgliedern juristischer Personen). Es sind ggf. vertraglich vereinbarte Kündigungsfristen oder ‑ mangels vereinbarter vertraglicher Fristen – die Kündigungsfristen gemäß §§ 621, 622 BGB zu berücksichtigen. Nach aktueller Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG GmbH-StB 2020, 323) gelten auch für den GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich die kurzen Fristen des § 621 BGB.
- Will die Gesellschaft den Geschäftsführer-Dienstvertrag mit sofortiger Wirkung beenden, muss ein wichtiger Grund im Sinne des § 623 BGB vorliegen (Hinweis: die parallel Abberufung des Geschäftsführers aus seinem Amt kann grundsätzlich nicht als eigenständiger wichtiger Grund angesehen werden, da die Abberufung mit sofortiger Wirkung grundsätzlich jederzeit und ohne besondere Begründung möglich ist – siehe dazu aber unten – und die aus allgemeinen dienstrechtlichen Grundsätzen resultierenden Voraussetzungen für den wichtigen Grund im Sinne des § 623 BGB nicht durch Einbeziehung der freien Abberufbarkeit auf der Organebene verwässert werden können).
- Zur Bestimmung des wichtigen Grundes hat das Oberlandesgericht München in der Entscheidung ausdrücklich klargestellt, dass keine pauschale Beurteilung erfolgen darf, sondern eine Abwägung im Einzelfall nach Zumutbarkeitskriterien notwendig ist. Praktisch wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass ein Punkt, der wesentlich für die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Dienstverhältnisses (also für die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisse aus wichtigem Grund) spricht, ein Verstoß gegen die aus einer Geschäftsordnung resultierenden Zustimmungspflichten/Zustimmungsvorbehalte sein kann. Da derartige Zustimmungsvorbehalte sehr oft in Geschäftsordnungen oder auch in den Gesellschaftsverträgen selbst vorgesehen sind, können sich daraus sehr konkret etwaige Verstöße und damit ein wichtiger Grund ableiten lassen.
- Parallel zur Beurteilung, ob ein wichtiger Grund für die Kündigung mit sofortiger Wirkung auf der Ebene des Dienstverhältnisses vorliegt, kann sich unter Umständen auch die Frage stellen, ob der Geschäftsführer gleichzeitig aus wichtigem Grund abberufen werden kann. Grundsätzlich bedarf es für die sofort wirksame Abberufung des GmbH-Geschäftsführers keiner Begründung; die Gesellschafter können jederzeit eine Abberufung beschließen. Ausnahmsweise kann die “einfache” Abberufung ausgeschlossen sein (die Abberufungsmöglichkeit also auf Fälle wichtiger Gründe beschränkt sein), wenn dem geschäftsführenden Gesellschafter in der Satzung das Sonderrecht zur Geschäftsführung eingeräumt ist. In diesem Fall bedarf der Abberufungsbeschluss einer besonderen Begründung, die einen ähnlichen Stellenwert hat wie der wichtige Grund zur sofortigen Beendigung des Dienstverhältnisses. Daneben kann die Frage, ob ein wichtiger Grund für den Abberufung vorliegt, dann relevant sein, wenn daraus Stimmverbote gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG abgeleitet werden können (bei schwerwiegenden Vorwürfen gegen einen geschäftsführenden Gesellschafter kann dieser gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG an der Abstimmung über seine Abberufung gehindert sein). Für diese beiden Gesichtspunkte kann das hier angesprochene Urteil des Oberlandesgerichts München zur Konkretisierung eines wichtigen Grundes zur Kündigung des Dienstvertrages unter Umständen mit herangezogen werden, da die Abwägung zur Feststellung einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Geschäftsführertätigkeit auch im Rahmen der Abberufung relevant werden kann.
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