Das Urteil
Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Entscheidung vom 19.06.2023 (8 U 177/22, ErbStB 2024, 256/257) entschieden, dass eine in einem Gesellschaftsvertrag enthaltene Vinkulierungsklausel (Verbot der Anteilsübertragung an Außenstehende), die ihrem Wortlaut nach nur unmittelbare Verfügungen über Beteiligungen an der Gesellschaft erfasst, auch dem Abschluss einer Rahmenvereinbarung entgegensteht, die die Zwischenschaltung von Beteiligungsgesellschaften einzelner Gesellschafter an der betroffenen Gesellschaft und die spätere Übertragung der Anteile an dieser Zwischengesellschaft an familienfremde Dritte vorsieht.
Zugrundeliegender
Sachverhalt
und
Entscheidung
Dem hier angesprochenen Urteil des Oberlandesgerichts Hamm lag der Fall einer Familiengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG zugrunde. An dieser GmbH & Co. KG waren mehrere Gesellschafterstämme beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag sah vor, dass die Übertragung von Beteiligungen an der GmbH & Co. KG an fremde Dritte einer Zustimmung bedurfte (Vinkulierungsklausel), enthielt jedoch keine Regelung zu dem Fall, dass die Übertragung einer mittelbaren Beteiligung an der Familiengesellschaft durch Übertragung der Anteile an einer zwischengeschalteten Beteiligungsgesellschaft stattfand; allerdings bestand nach dem Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit, derartige Zwischengesellschaften infolge von Anteilsübertragungen aus der betroffenen GmbH & Co. KG auszuschließen. Einer der Stämme, die an der betroffenen GmbH & Co. KG beteiligt waren, hatte die Absicht, seine Beteiligungen an einen familienfremden Investor zu übertragen. Dies hätte – bei direkter Übertragung – nach der Vinkulierungsklausel einer Genehmigung bedurft. Der übertragungswillige Stamm schloss daher mit dem familienfremden Investor zunächst einen Rahmenvertrag, der eine mehrstufige Transaktion vorsah, nämlich
- in einem ersten Schritt die Übertragung der von dem betreffenden Familienstamm gehaltenen Beteiligungen an der GmbH & Co. KG auf eine dazu durch den Stamm eigens errichtete Beteiligungsgesellschaft als Zwischengesellschaft zu übertragen und
- sodann in einem zweiten Schritt die Anteile an dieser zwischengeschalteten Beteiligungsgesellschaft an den familienfremden Dritten/Investor zu veräußern.
Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass bereits der Abschluss dieses Rahmenvertrages einen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Vinkulierungsklausel darstellt, da diese ‑ aufgrund der Auslegung durch das Gericht – auch mittelbare Anteilsübertragungen erfasse.
Weitere Hinweise und praktische Konsequenzen
Die Entscheidung betrifft ein sehr praxisrelevantes Problem der Gestaltung von Gesellschaftsverträgen bei personalistisch strukturierten Unternehmen, also insbesondere bei Familiengesellschaften oder sonstigen Gesellschaften des Mittelstandes:
- In den Gesellschaftsverträgen personalistisch strukturierter Gesellschaften ist regelmäßig vorgesehen, dass die Übertragung von Anteilen – in der Praxis regelmäßig die Übertagung von Anteilen an Nichtbeteiligte – einer Zustimmung bedarf, entweder durch Gesellschafterbeschluss mit bestimmtem Quorum, durch die Gesellschaft selbst oder durch einzelne Gesellschafter. Mangels einer solchen Klausel wäre bei einer Personenhandelsgesellschaft jegliche Anteilsübertragung – da es sich um eine Vertragsänderung des Gesellschaftsvertrages handelt – von der Mitwirkung aller anderen Gesellschafter abhängig; bei der GmbH als Kapitalgesellschaft wäre mangels vertraglicher Regelung die Anteilsübertragung frei zulässig. Sowohl bei Personengesellschaften wie auch bei Kapitalgesellschaften, die personalistisch strukturiert sind, wird in der Vertragspraxis regelmäßig eine vertragliche Vinkulierungsklausel formuliert, die die Zustimmung in besonderer Weise regelt (Zustimmung durch alle Gesellschafter, Zustimmung durch eine bestimmte Gesellschaftermehrheit, ggf. Verbindung mit einem Vorkaufsrecht). Wenn eine derartige Vinkulierungsklausel im Gesellschaftsvertrag enthalten ist, hat diese eine „absolute“ Wirkung: Ein Verstoß gegen die Vinkulierung (Übertragung ohne Einhaltung des Genehmigungserfordernisses) macht eine Anteilsübertragung unwirksam (unabhängig von einer etwaigen Gutgläubigkeit des dritten Erwerbers).
- Derartige Vinkulierungsklauseln sind allerdings regelmäßig nur als Zustimmung/Genehmigungserfordernisse für eine unmittelbare Anteilsübertragung (Übertragung der Beteiligungen an der Gesellschaft selbst) formuliert. Ob sie mittelbar wirken (Vinkulierung auch bei Übertragung von Anteilen an einer zwischengeschalteten Beteiligungsgesellschaft, über die die Anteile an der betroffenen Gesellschaft gehalten werden) ist fraglich und bisher vom Bundesgerichtshof nicht ausdrücklich entschieden (vgl. zum aktuellen Überblick über den Stand: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl. 2023, § 15 Rz. 95). Zur – nachträglichen – Regelung des Problems sollte in dem Gesellschaftsvertrag der betroffenen Gesellschaft jedenfalls der Fall geregelt sein, dass eine andere Gesellschaft Anteile an der betroffenen Gesellschaft hält und die Anteile an der anderen Gesellschaft übertragen werden – mit der Folge einer Ausschlussmöglichkeit der zwischengeschalteten Beteiligungsgesellschaft. Dies ist zulässig. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm könnte dafür sprechen, dass eine Vinkulierung im Gesellschaftsvertrag der betroffenen Gesellschaft auch mittelbar direkt gegen Anteilsübertragungen an einer zwischengeschalteten Beteiligungsgesellschaft wirkt. Dies ist allerdings offen. Es sollte vorsorglich in jedem Fall die vorstehend angesprochene Ausschlussregelung ergänzend aufgenommen werden.
- Grundsätzlich ist die Zulassung der Zwischenschaltung von Beteiligungsgesellschaften bei personalistisch strukturierten Unternehmen mit Risiken für die Erhaltung des Gesellschafterbestandes verbunden. Nach dem in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm zugrunde liegenden Sachverhalt war in jenem Fall offensichtlich im Gesellschaftsvertrag der betroffenen GmbH & Co. KG zugelassen, dass Gesellschafter (Mitglieder der beteiligten Familienstämme) ihre Beteiligungen zustimmungsfrei an eine von ihnen selbst gehaltene Beteiligungsgesellschaft übertragen durften. Schon diese Regelung ist gefährlich, da sie in einem nächsten Schritt die Weiterübertragung von Anteilen an dieser zwischengeschalteten Beteiligungsgesellschaft an einen Dritten ermöglichen könnte. Sicherer ist eine Vinkulierungsklausel, die jegliche Übertragung an zwischengeschaltete Beteiligungsgesellschaften ohne Zustimmung (auch wenn sie von den Gesellschaftern selbst gehalten werden) ausschließt.
- Die hier zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm ist ergangen zu einer Gesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, also zu einer Personenhandelsgesellschaft. Grundsätzlich gelten die angesprochenen Prinzipien zur Auswirkung der Vinkulierungsklausel auch bei einer GmbH (Kapitalgesellschaft). In Fällen personalistisch strukturierter Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH werden die vorstehend angesprochenen Grundsätze von der Rechtsprechung regelmäßig entsprechend angewandt. Auch hier gilt der Hinweis, dass die Erlaubnis zur Zwischenschaltung von Beteiligungsgesellschaften durch einzelne – dann nicht mehr persönlich beteiligte – Gesellschafter mit Risiken verbunden ist.
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