Nicht: wie kommt die Mutter zum Kind, sondern: Wie kommt ein Kind zu zwei Müttern?

Gleichgeschlechtliche Eltern als Herausforderung für das deutsche BGB

In den letzten Jahren ist zunehmend zu beobachten, dass die Lebenswirklichkeit gleichgeschlechtlicher Paare – seien es eingetragene Lebenspartnerschaften oder auch verheiratete Paare – immer wieder den gesetzlichen Regelungen weit voraus ist und sich Fragestellungen ergeben, auf die der deutsche Gesetzgeber (noch) keine Antwort gefunden hat.

Nicht selten möchten beispielsweise zwei miteinander verheiratete Frauen gerne mit allen Konsequenzen gemeinsam die Eltern des Kindes sein, das eine der beiden zur Welt bringt. Spätestens, wenn dies nach der Geburt des Kindes so vom Standesamt eingetragen werden soll, wiehert der sprichwörtliche Amtsschimmel, denn das ist einfach nicht vorgesehen. Viele Arten von Verfahren sind in dem Zusammenhang schon vor den verschiedensten Gerichten geführt worden, mit wenig Erfolg, aber umso mehr Erkenntnisgewinn.

In diesem Zusammenhang möchten wir auf zwei Entscheidungen der letzten Zeit hinweisen.

Entscheidung des BGH vom 10.10.2018 Az. XII ZB 231/18

In diesem Fall hatte der Bundesgerichtshof über die Frage zu entscheiden, ob die Ehefrau der das Kind gebärenden Frau aufgrund der bestehenden Ehe als “weiterer Elternteil” des Kindes in das Geburtenregister einzutragen ist, was das Standesamt in diesem Fall abgelehnt hatte.

Wenn in einer unterschiedlich–geschlechtlichen Ehe die Ehefrau ein Kind gebärt, trifft § 1592 BGB zu Frage der Vaterschaft eine eindeutige Antwort. Hier heißt es ausdrücklich:

“Vater eines Kindes ist der Mann,
1. der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist (…)”

Und was genau eine “Mutter” ist, dazu hat das BGB auch ganz klare Vorstellungen. Dies ist gem. § 1591 BGB (nur)

“Die Frau, die das Kind geboren hat”.

Zwei Frauen als Mütter sind also schlicht nicht vorgesehen.

Fazit

Die nicht gebärende Mutter kann nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht so ohne weiteres “Mutter” sein, und auch kein “Vater” (was sie ohnehin nicht möchte), darüber hinaus bietet das BGB keine Alternativen.

Der Bundesgerichtshof hatte nun zu entscheiden, ob die gesetzliche Regelung zur Vaterschaft eines Kindes, wenn schon nicht direkt, dann vielleicht “analog”, d.h. entsprechend auch auf den Fall einer gleichgeschlechtlichen Ehe angewendet werden kann.

Schon auf den ersten Blick erscheint dies reichlich holperig, da das Kind ja gerade keinen Vater, sondern zwei Mütter haben soll.

Im Ergebnis hat der Bundesgerichtshof eine solche Auslegung oder Anwendung des Gesetzes abgelehnt. In der Begründung hat er sich auf den klaren Wortlaut der Vorschriften und auch auf die Regelungen des Gesetzestextes der Einführung der “Ehe für Alle” vom 20.07.2017 gestützt. Der Gesetzgeber habe zwar die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt, das Abstammungsrecht aber absichtlich nicht geändert. Mangels unbeabsichtigter Regelungslücke könne die Abstammungsregel zur Vaterschaft nach dem §§ 1591 ff. BGB also auch nicht „analog“ angewendet werden.

OLG Celle, Beschluss vom 24.03.2021 Az. 21 UF 126/20

In dem zu entscheidenden Fall war eine der Partnerinnen mittels anonymer Keimzellenspende schwanger geworden und hatte ein Kind geboren. Ihre Ehefrau erkannte bereits vor der Geburt des Kindes mit notariell beurkundeter Erklärung an, mit allen Konsequenzen “Mit-Mutter” sein zu wollen. Auch hier lehnten nach der Geburt des Kindes das zuständige Standesamt und auch das Amtsgericht Hildesheim unter Verweis auf die zuvor geschilderte Rechtslage es ab, diese zweite “Mutterschaft” festzustellen.

Auch das OLG Celle wollte nicht ohne weiteres im Sinne der Klägerin entscheiden und bezog sich auf die geschilderte Entscheidung des Bundesgerichtshofes.

Aber:
Es ging noch weiter in seiner Prüfung und äußerte verfassungsmäßige Bedenken gegen die aktuelle Gesetzeslage, sah sogar eine verfassungsrechtliche Handlungspflicht des Gesetzgebers, die Elternstellung für solche “Mit-Eltern” gesetzlich zu begründen und näher auszugestalten. Wegen dieser verfassungsrechtlichen Beurteilung, die es nicht selbst vornehmen darf, setzte das Oberlandesgericht Celle das Verfahren zunächst einmal aus und legte es dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor, die man wohl mit Spannung erwarten darf.

Hinweise: Was können gleichgeschlechtliche Mütter bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder/und eine Gesetzesänderung tun?

Bis neue gesetzliche Regelungen geschaffen oder alte ergänzt werden, stehen – nur – die Möglichkeiten zu Verfügung, die der aktuellen Gesetzeslage und der dazu ergangenen Rechtsprechung entsprechen und es erspart Zeit, Geld und Nerven, aussichtslose Gerichtsverfahren zu führen und von Beginn an den richtigen Weg zu wählen, auch wenn er nicht unkompliziert erscheinen mag.

Nach aktueller Gesetzeslage ist der Weg über die §§ 1747 ff. BGB eröffnet, d. h. eine sog. „Annahme als Kind“ (Adoption). Wenn der biologische Vater bekannt und aktenkundig ist, müsste dieser zunächst vorab – was nur durch notarielle Beurkundung der Erklärung geht – gem. § 1747 BGB seine Einwilligung erteilen und diese muss zum Beschluss dem Familiengericht vorgelegt und bestätigt werden.

Danach, das heißt wenn dieser erste Beschluss vorliegt, kann die zukünftige „Mit-Mutter“ die sog. “Annahme als Kind” einleiten. Auch sie muss eine entsprechende Erklärung und ihren Antrag von einem Notar beurkunden und danach vom Familiengericht durch Beschluss feststellen lassen, § 1752 BGB.

Mit bestätigter Adoption ist das Kind mit allen rechtlichen Konsequenzen angenommen, was wieder die verschiedensten Fragen aufwerfen und Handlungsbedarf erfordern kann, sei es beispielsweise im Rahmen von – immer empfehlenswerten – wechselseitigen Bevollmächtigungen / Vorsorgevollmachten oder sei es in erbrechtlicher Hinsicht.

Hier helfen wir Ihnen gerne versiert bei allen sich ergebenden Fragen weiter!

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