Der Fall
Sparbücher sind nach wie vor eine übliche Form der Geldanlage. Insbesondere Vermieter nutzen sie, um die Barkaution der Mieter entsprechend den gesetzlichen Vorgaben anzulegen. Trotzdem können die kleinen Bücher bisweilen in Vergessenheit geraten. Hierauf berief sich auch eine Klägerin aus dem Großraum Baden-Baden und verlangte von ihrem Kreditinstitut die Auszahlung einer fünfstelligen Geldsumme, die im Sparbuch noch als Guthaben eingetragen war. Im Jahr 1992 hatte sie bei der beklagten Bank ein Sparkonto in Form eines Sparbuchs eröffnet. Die letzte Eintragung erfolgte im Jahr 1997. Im Januar 2020 kündigte die Klägerin den Sparvertrag, legte ihrer Bank das Sparbuch vor und verlangte die Auszahlung der eingetragenen Summe. Die Bank verweigerte die Auszahlung und machte geltend, dass sie bereits im April 1998 aufgrund telefonischer Weisung des dazu bevollmächtigten Ehemannes der Klägerin das Sparkonto aufgelöst und die angesparte Summe jeweils zu hälftigen Teilen auf das Girokonto des Ehemannes bzw. auf ein Konto der Klägerin eingezahlt habe. Solche Auszahlungen waren allerdings nicht im Sparbuch eingetragen worden. Das Sparbuch war auch nicht entwertet worden, z. B. durch Löchern des Umschlags.
Die Entscheidung
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat die Klage der Sparbuchinhaberin abgewiesen (Urteil vom 20.12.2022 – Aktenzeichen 17 U 151/21). Kommt es zwischen Kreditinstitut und Kunde zum Streit über die Höhe des Guthabens, muss der Sparbuchinhaber die Höhe des Guthabens beweisen. Der Sparbuchinhaber kommt seiner Nachweispflicht in der Regel durch Vorlage des nicht entwerteten Sparbuchs nach. Das Sparbuch hat eine Beweisfunktion. Es gilt der Merksatz: „Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier“. Ist im Sparbuch ein Guthaben eingetragen, kann der Sparbuchinhaber durch die bloße Vorlage des Sparbuchs in aller Regel beweisen, dass das Guthaben in der eingetragenen Höhe auch besteht. Hingegen obliegt es dem Kreditinstitut, den Beweis dafür zu erbringen, dass eine Auszahlung des Guthabens trotz Eintragung im Sparbuch bereits erfolgt ist (Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.06.2002, Aktenzeichen XI ZR 361/01).
Nach der Entscheidung des OLG Karlsruhe dürfe ein Kreditinstitut nicht schon deshalb die Auszahlung des im Sparbuch eingetragenen Guthabens verweigern, weil lange Zeit keine Eintragungen in dem Sparbuch vorgenommen wurden und die handelsrechtlichen Aufbewahrungspflichten abgelaufen seien. Auch sei für den Nachweis der Unrichtigkeit des Sparbuchs nicht allein die Vorlage von internen Bankunterlagen, die eine Auszahlung indizieren, ausreichend. Kommen jedoch weitere Umstände hinzu, könne dies zum Beweis der Auszahlung des Guthabens genügen. Insbesondere der Umstand, dass der Eingang einer ganz bestimmten Geldsumme auf dem Girokonto der Klägerin nachgewiesen worden sei, die exakt der auf dem Sparkonto einschließlich Zinsen vorhandenen Sparsumme zum Zeitpunkt der Einzahlung entsprach, sei hierfür im konkreten Fall erheblich gewesen. Zusätzlich zu den Buchungsunterlagen sei die Richtigkeit der Unterlagen durch einen damaligen Bankmitarbeiter bestätigen worden. Unter Zugrundelegung dieser Indizien habe die Klägerin keine erneute Auszahlung des Gelds verlangen können.
Fazit
Der Fall zeigt zum einen, dass das Sparbuch „lebt“ und es nach wie vor praktische Relevanz hat. Zum anderen bestätigt die Entscheidung die Grundregel, dass es einem Kreditinstitut nur in Ausnahmefällen gelingt, den Nachweis zu führen, dass ein Guthaben ausgezahlt wurde, obwohl es im Sparbuch noch vermerkt ist.
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