Bundesgerichtshof urteilt zur Wirksamkeit einer Gewährleistungsbürgschaft

Der Fall

In dem vom Bundesgerichtshof (BGH) am 25.01.2022 entschiedenen Fall (AZ: XI ZR 255/20) ging es um Bauleistungen an einer Lüftungs- und Kälteanlage. Es kam zu Mängeln, deren Beseitigungskosten von einem Gutachter auf etwas über € 400.000,00 geschätzt wurden. Der klagende Auftraggeber nahm die beklagte Versicherung aus der Gewährleistungsbürgschaft auf Zahlung von knapp € 19.000,00 in Anspruch. Die beklagte Versicherung wehrte sich über drei Gerichtsinstanzen gegen die Zahlung aus der Bürgschaft. Sie hielt die Bürgschaftsverpflichtung für unwirksam, weil in dem Vertragsformular folgender Einredeverzicht vereinbart war: “Auf die Einreden der Anfechtung, der Aufrechnung sowie der Vorausklage gemäß den §§ 770, 771 BGB wird verzichtet. Der Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gilt nicht für unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen des Hauptschuldners.”

 

Der Kläger hatte in der Sicherungsvereinbarung mit dem Bauunternehmen die Aufnahme dieser Klausel zur zwingenden Vorgabe gemacht. Im Prozess wandte die Versicherung nun ein, dass die getroffene Sicherungsvereinbarung unwirksam sei, weil die Versicherung hierdurch unangemessen benachteiligt würde, da sie auf die Einrede der Anfechtbarkeit verzichten müsse. Einrede der Anfechtbarkeit bedeutet, dass der Bürge dann nicht leisten muss, wenn der Hauptschuldner, hier also der Bauunternehmer, seinerseits die Anfechtung des zugrundeliegenden Bauvertrages erklären kann.

Die Entscheidung

Der BGH urteilte, dass die vereinbarte Klausel wirksam sei und die Versicherung deshalb aus der Bürgschaft leisten müsse. In einem Vertrag über Bauleistungen könne grundsätzlich wirksam ein Gewährleistungseinbehalt von 5 % vereinbart werden. Zugunsten des Bauunternehmers müsse aber ein fairer Ausgleich dafür vorgesehen sein, dass dieser in Höhe des Einbehalts seine Vergütung nicht sofort ausbezahlt erhalte und er insoweit während der Dauer der Gewährleistungspflicht das Insolvenz- und Ausfallrisiko seines Auftraggebers trage. Ein fairer Ausgleich könne dadurch erreicht werden, dass der Unternehmer alternativ eine Gewährleistungsbürgschaft stellen könne. Nicht fair sei der Ausgleich durch eine Bürgschaft aber dann, wenn eine Bürgschaft auf erstes Anfordern oder eine Bürgschaft vorgesehen sei, in der der Bürge auf sämtliche Einreden verzichten müsse, z. B. auf die Möglichkeit der Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen.

 

Der Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit führe aber nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Bürgen, weil die Einrede der Anfechtbarkeit praktisch ohne Bedeutung sei und deshalb nicht zu einer Benachteiligung führen könne. Wenn nämlich der Bauunternehmer den Bauvertrag wirklich anfechten könne, dann wäre dies keine Benachteiligung des Bürgen, weil mit der Anfechtung auch der Bauvertrag erlischt und es deshalb keine Zahlungspflicht mehr gäbe, für die der Bürge haften könnte. Sämtliche im Gesetz vorgesehenen Anfechtungsgründe seien entweder bedeutungslos oder führten nicht zu einer Benachteiligung.

Fazit

Der BGH hat mit seinem Urteil vom 25.01.2022 klargestellt, dass der Bürge aus einer Gewährleistungsbürgschaft auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn ein Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit vereinbart ist. Dennoch kann es Fälle unangemessener Benachteiligung geben. Dies ist nach den Ausführungen des BGH der Fall, wenn sich der Einredeverzicht auch auf arglistiges Verhalten erstreckt. Eine solche Klausel wäre unwirksam und der Bürge nicht zur Leistung verpflichtet. In dem hier zu entscheidenden Fall hatte das Gericht den Vertrag aber so ausgelegt, dass der Einredeverzicht sich nicht auf arglistiges Verhalten erstreckte.

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