Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen

Das Urteil

Mit Urteil vom 15.11.2022 (X R 4/20, DStR 2023, 258) hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass dem Nießbrauchsberechtigten an einem Anteil an einer (steuerlich privaten) vermögensverwaltenden GbR die Gewinneinkünfte einkommensteuerrechtlich nicht zugerechnet werden (er also einkommensteuerrechtlich nicht wie ein Gesellschafter/Inhaber der “Einkünftequelle” anzusehen ist), wenn ihm nicht auch Mitbestimmungsrechte bei Grundlagenentscheidungen in der Gesellschaft eingeräumt sind.

Zugrunde liegender Sachverhalt und Entscheidungsinhalt

In dem dem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Kläger als Gesellschafter der vermögensverwaltenden GbR seinem Sohn an seinem (des Klägers) Gesellschaftsanteil einen Nießbrauch von 50 % eingeräumt. Die Stimmrechte wurden danach so geregelt, dass

  • Vater und Sohn sich bei laufenden Entscheidungen in der Gesellschaft auf die Ausübung des Stimmrechts einigen mussten und
  • der Vater jedoch bei Grundlagengeschäften alleine entscheiden konnte.

Vor dem Hintergrund dieser Regelungen versagte der BFH die Zurechnung der (anteiligen) Einkünfte zum Sohn als Nießbraucher (rechnete also trotz der Nießbrauchsbestellung dem Vater alle Einkünfte zu). Danach setzt die Zurechnung der Einkünfte zum Nießbrauchsberechtigten voraus, dass dieser – zumindest im Innenverhältnis nach den Regelungen zwischen Nießbrauchsberechtigtem und belastetem Gesellschafter – auch ein Mitspracherecht bei Grundlagengeschäften (nicht nur bei laufenden Geschäften) hat.

Wertung und Hinweise zu den praktischen Konsequenzen

Die Entscheidung ist zum Quotennießbrauch ergangen, dürfte nach der allgemeinen Formulierung der Begründung jedoch allgemeine Bedeutung zur steuerlichen Zurechnung der Einkünfte bei der (vermögensverwaltenden) Personengesellschaf haben. Voraussetzung für eine Einkünftezurechnung zum Nießbrauchsberechtigten (die regelmäßig in der Praxis angestrebt ist), ist danach ein Mitwirkungsrecht (Einräumung von Verwaltungsrechten/Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte bei laufenden Entscheidungen und bei Grundlagenentscheidungen).

 

Die Entscheidung ist auch deswegen bedeutsam, weil die Nießbrauchsbestellung an Gesellschaftsanteilen in der Gestaltungspraxis, insbesondere bei vorweggenommenen Erbfolgen und Nachfolgeregelungen, eine erhebliche Bedeutung hat. Die Einzelheiten der ertragsteuerrechtlichen Zurechnung der Einkünfte zum Nießbrauchsberechtigten sind dabei nicht nur bei der vermögensverwaltenden Personengesellschaft in Details teilweise immer noch unklar und sehr stark von Wertungen im Einzelfall abhängig:

 

  • Bei Mitunternehmeranteilen im Sinne von § 15 EStG (z.B. gewerblich tätige OHG, “klassische” GmbH & Co. KG) kommt es entscheidend auf ausreichendes Mitunternehmerrisiko (Ergebnisanteil, Teilhabe an stillen Reserven) und auf ausreichende Mitunternehmerinitiative des Nießbrauchsberechtigten an. Nur wenn diesem Mitspracherechte in den Gesellschafterentscheidungen eingeräumt sind, kann er Mitunternehmer sein. Ob eine “gespaltene Mitunternehmerstellung” (Anerkennung des Nießbrauchsberechtigten und des belasteten Gesellschafters als Mitunternehmer) durch Aufteilung der Stimmrechte (beispielsweise differenziert nach wesentlichen Entscheidungen und laufenden Geschäften) möglich ist, ist offen (für diese Möglichkeit spricht die Entscheidung BFH vom 01.03.1994 – VIII R 35/92, dagegen eher: BFH vom 03.12.2015 – IV R 43/13; BFH vom 19.07.2018 – IV R 10/17).

 

  • Bei Geschäftsanteilen an einer GmbH stellt der BFH – jedenfalls beim Zuwendungsnießbrauch (der Gesellschafter räumt das Nießbrauchsrecht zugunsten eines Dritten ein) – ausschließlich auf die Einräumung der Stimmrechte ab (BFH vom 14.02.2022 – VIII R 29/18: Zurechnung zum Nießbraucher, wenn ihm die Stimmrechte übertragen werden). Da eine “Abspaltung” der Stimmrechte bei der GmbH auf einen Dritten gesellschaftsrechtlich problematisch ist, kommt danach praktisch eine Ausgestaltung des Nießbrauchs derart, dass dem Nießbraucher die Einkünfte im Sinne von § 20 EStG zugerechnet werden, nur über Stimmrechtsvollmacht oder Stimmbindungsvereinbarung in Betracht. Die Details müssen im jeweiligen Einzelfall in der Gestaltung sehr genau geprüft werden. Ob diese Grundsätze auch bei Vorbehaltsnießbrauch gelten (Gesellschafter überträgt den Anteil und hält den Nießbrauch zurück), ist offen.

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